Samstag, 15. Juni 2013

Spiderman-Feeling am Half Dome

Klettertour im Yosemite-Nationalpark

Spiderman-Feeling am Half Dome

Die mächtige Granitkuppe des Half Dome im kalifornischen Yosemite-Tal gilt als Wahrzeichen – wie das Matterhorn in den Alpen. Wagemutige können den 2693 Meter hohen Berg auf eigene Faust besteigen – inklusive Spiderman-Feeling.



Von der steil aufragenden Granitkuppe ist morgens um 6.00 Uhr noch nichts zu sehen. Mit Taschenlampen machen sich die meisten Half-Dome-Kletterer vor Sonnenaufgang auf den Weg. Der ist lang, steil, und am Ende ziemlich abenteuerlich. Die letzten 120 Meter läuft man an Stahlseilen eine Granitwand hoch.

„Man muss die Ruhe bewahren und einen Fuß vor den anderen setzen“, rät Park-Rangerin Kari Cobb. Der drahtigen 27-Jährigen glaubt man aufs Wort, dass sie es vom Startpunkt im Yosemite-Tal (1230 Meter Höhe) zum Gipfel auf 2693 Metern Höhe und wieder zurück in knapp fünf Stunden schafft. Weniger Geübte sollten für die 27 Kilometer lange Tour zehn bis zwölf Stunden einplanen.

Im Zick-Zack-Kurs lässt man das Yosemite-Tal schnell hinter sich. Auf über 2000 Metern Höhe ist das Little-Yosemite-Valley ein idyllischer Stopp zum Ausruhen vor dem Gipfelsturm.

Nur noch 300 Gipfelstürmer am Tag

Der riesige Granitbuckel rückt nun Schritt für Schritt näher. Bis 1875 galt der Berg als unbezwingbar. Dann schlug der Kletterer George Anderson Ringbolzen in den Granit und bahnte sich auf der Rückseite an Seilen einen Weg auf den Gipfel. 1919 wurde das noch heute verwendete Seilgeländer installiert. Eine simple Konstruktion aus zwei Stahlseilen in etwa einem Meter Abstand, auf armhohen Pfeilern, die im Fels verankert sind. Von Mai bis Oktober werden die Pfosten für Kletterer aufgerichtet, im Winter ist die Route gesperrt.

Half Dome (Foto: U. Fleger 1994)
Der Half Dome ist seit Jahrzehnten das beliebteste Wanderziel im Yosemite-Tal. „An manchen Tagen kletterten 1200 Leute die Stahlseile hoch, da kam es oft zu regelrechten Verkehrsstaus“, erzählt Kobb. Seit drei Jahren schränkt die Parkverwaltung die Zahl der Gipfelstürmer ein. In dieser Saison werden täglich 300 Wanderer mit einer Erlaubnis zugelassen, die man vorab reservieren muss.

Den Half-Dome-Permit darf man nicht vergessen. Am Fuß des „Subdome“, kurz bevor es ernst wird, prüft ein Ranger die Papiere. Eine weitere Stunde kraxelt man über Granitblöcke hoch. Der in den Fels gehauene Weg ist schwer zu erkennen, dafür bietet der Aufstieg einen einmaligen Ausblick auf die umliegenden Gipfel.

Dann taucht die letzte Hürde auf, mehr als 47 Grad Steigung. Dutzende Wanderer stehen auf einem kleinen Plateau und starren gebannt nach oben. Wie kleine Ameisen steigen die Kletterer zwischen den beiden Seilen auf der Granitkuppel hoch.

Handschuhe an, und es geht los. Schritt für Schritt auf dem glatten Fels, beide Hände fest an den Seilen. Alle drei bis vier Meter ist eine schmale Holzleiste quer zwischen den Pfeilern angebracht. Auf diesem „Trittbrett“ kann man Luft schnappen, langsamere Kletterer überholen und – wer sich traut – einen Blick nach unten riskieren.


(Foto: U. Fleger 1994)

„I made it to the top“

Der halbstündige „Drahtseilakt“ wird reichlich belohnt. Oben angekommen liegt einem eine atemberaubende Welt zu Füßen. Der Blick geht mehr als 1400 Meter senkrecht ins Yosemite-Tal.

Mehrere Fußballfelder groß ist die Half-Dome-Kuppel. Wagemutige kraxeln auf einen Vorsprung, „The Visor“, der wie eine Schirmmütze vorsteht. Max Bock posiert für das klassische Gipfelfoto. „Das ist die ganze Mühe wert“, strahlt der Deutsche.

Es ist erst die halbe Mühe. „Der Rückweg ist hart“, mahnt Rangerin Kari Cobb. „Die meisten hangeln sich rückwärts an den Seilen runter. Und dann geht es weitere 13 Kilometer bergab“. Viele treffen erst bei Anbruch der Dunkelheit im Tal ein. Der Adrenalinrausch von dem Gipfelerlebnis treibt glücklicherweise an. Das passende Andenken gibt es in den Yosemite-Souvenirläden: Tassen und T-Shirts mit der Aufschrift „I Made It To The Top“ – ich habe es nach oben geschafft.

1994 bin ich auch vor Ort im Yosemite NP gewesen. Zu sechst starteten wir gegen 6.00 h morgens, um den Half Dome zu besteigen. Eine Mammuttour, wenn ich daran denke. Nach gut 13 Stunden waren wir abends wieder im Camp bei unseren Wohnmobilen. Ein wenig macht es mich heute noch traurig, das ich es nicht bis zum Half Dome geschafft habe. Kurz vor dem Klettersteig musste ich aufgeben. Ich war einfach zu erschöpft. Ein Freund machte dann noch im Klettersteig schlapp. So wartete ich Dösend und Schlafend auf die Rückkehrer und machte mich auf den Abstieg. Aber im Rückblick betrachtet, war es eine tolle Erfahrung, auch im Scheitern. Um so freudiger da heute eine heimische Tageszeitung diesen Bericht veröffentlichte. Das FOCUS Magazin brachte diesen Artikel auch.
Foto: Barbara Munker; 47 % Steigung

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