Theologe: Wir haben in der Illusion gelebt, ein orthodoxes Volk zu haben
Zürich (kath.net/idea): Die Bevölkerung in Russland ist eine „Gesellschaft von getauften Gottlosen“ mit magischen und heidnischen Vorstellungen. Deshalb muss die Botschaft von Jesus Christus wieder neu verkündigt werden. Diese Überzeugung äußerte der russisch-orthodoxe Erzpriester und Kirchenhistoriker Prof. Georgij Mitrofanov (St. Petersburg) in einem Interview mit dem Magazin „Ogoniok“. Eine Übersetzung veröffentlichte jetzt das Institut „Glaube in der 2. Welt“ (G2W/Zürich). Wie Mitrofanov weiter sagte, sei man in den 80er Jahren von der Illusion ausgegangen, dass die Russen ein orthodoxes Volk seien, das aber wegen der kommunistischen Herrschaft die Kirchen nicht besuchen könne. Doch obwohl sich dies inzwischen grundlegend geändert habe, komme nur ein kleiner Teil des Volkes regelmäßig in die Kirchen. Nach Ansicht des Kirchenhistorikers haben die Kommunisten in der Sowjet-Ära einen neuen Typus Mensch geschaffen – „den neidischen Habenichts“.
Dieser sei mit der Überzeugung aufgewachsen, das Wichtigste im Leben seien materielle Werte: „Und weil er dieser Werte beraubt war, wurde er viel habgieriger und war viel mehr auf den eigenen Vorteil bedacht als ein westlicher Spießer“. Für die heutige Priestergeneration sei die Kirche oftmals nicht eine Gemeinschaft von Menschen, in der man eins in Christus sei. Vielmehr sei sie in erster Linie ein Ort, an dem man mit Geschäftsleuten in Kontakt trete und rituelle Dienstleistungen anbiete: „Hier kriegt man für Geld sein Auto gesegnet, sein Baby getauft, seinen Toten beerdigt. Mehr will man ja nicht von einem Priester“. Der Theologe fragt: „Doch was ist, wenn jemand einem so geschäftstüchtigen, oft sehr jungen Mann sein Leid klagt? Er wird ihm nichts antworten können“.
Ein Drittel der Priester theologisch ausgebildet: Mitrofanov kritisiert ferner den schlechten Bildungsstand der meisten Priester. Um Geistlicher zu werden, brauche man weder eine theologische noch sonst eine Qualifikation. Nur ein gutes Drittel aller Priester habe eine theologische Ausbildung absolviert. Dieser Misstand habe Ende der achtziger Jahre eingesetzt, „als der Staat sich nicht mehr in die Kaderpolitik der Kirche einmischte und die Bischöfe jeden weihen konnten, der das wünschte“. Inzwischen könne jeder Priester werden, der sich einigermaßen mit dem Gottesdienst auskenne und ein Empfehlungsschreiben eines Geistlichen vorlege. Das Ergebnis sei, „dass das theologische, geistliche und kulturelle Niveau auf einem katastrophalen Tiefstand gesunken ist“. Nach Angaben Mitrofanovs hat es zu Sowjetzeiten nur drei Seminare zur Ausbildung russisch-orthodoxer Geistlicher gegeben. Heute seien es 40. Aber nur fünf bis sieben Schulen genügten heutigen Ansprüchen an die geistliche Bildung. In Russland gehört ein Viertel der 145 Millionen Einwohner zu einer Kirche. Neben 35 Millionen Orthodoxen gibt es 500.000 Katholiken, 250.000 Lutheraner, 150.000 Baptisten, 150.000 Charismatiker, 120.000 Pfingstler und 70.000 Adventisten.
Wenn ich über die Aussagen des obigen Artikels nachdenke, dann möchte ich auch zu dem gleichen Ergebnis in Bezug auf unser Deutschland kommen. Die politischen Prägungen nach dem 2. Weltkrieg sind bei uns total anders gewesen (mit Ausnahme der damaligen DDR) - aber langfristig haben sie das gleiche Ergebnis hervorgebracht. Die großen Volkskirchen verfügen über keine geistliche Kraft mehr, um die Menschen und ein ganzes Volk prägen zu können. Dabei wurde in unserem Land die Reformation geboren. Aber langfristig sind wir dann von der anderen Seite vom Pferd gefallen, wie man so schön sagt. Wohlstandssehnsucht, sogenannte Aufklärung und Evolutionstheorie haben die Saat der Engherzigkeit und das Leben in der reinen Dieseitigkeit hervorgebracht. Was kommt nach dem Tod? Wenn da JESUS wartet, dann muss dieser JESUS auch heute schon unser Leben prägen.
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