Dienstag, 20. Juni 2023

150 Jahre Cable Cars

 Jubiläum: 150 Jahre Cable Cars in San Francisco

(dpa)Oft drohte ihnen das Aus, doch nun haben die Cable Cars in San Francisco einen in der Welt einmaligen Meilenstein geschafft. Die altertümlichen Straßenbahnen, die an beweglichen Stahlkabeln durch die hügelige Westküstenmetropole rattern, feiern ihr 150. Jubiläum. San Franciscos Bürgermeisterin London Breed läutete das Jubiläumsjahr der Cable Cars am Dienstag (Ortszeit) mit einer Fahrt auf der historischen, grün gestrichenen Holzbahn "Big 19" ein, Baujahr 1883. Schon damals sei San Francisco mit Kreativität und neuen Erfindungen vorangegangen, sagte die Bürgermeisterin der Tech-Metropole. Anstoß für die Kabelbahn waren die steilen Straßen der Stadt. Der vom Goldrausch in Kalifornien angelockte Brite Andrew Hallidie wollte es nicht länger ansehen, wie sich Pferdekutschen an den Hügeln abmühten. Seine Stahlseile, die schon in Goldminen im Einsatz waren, verlegte er nun in Straßenschienen.

Im August 1873 ratterten die ersten Cable Cars durch die Stadt. Der Antrieb für die Wagen ist ein kilometerlanges Stahlseil, das knapp unter der Straßendecke in einer Spur verläuft und ständig in Bewegung ist. Die Kabel werden in einer zentralen Schaltstelle von einem riesigen Motor angetrieben. Das einfache Antriebssystem fand schnell in aller Welt Nachahmung. Städte wie New York, Chicago, Los Angeles, London, Paris, Sydney und Melbourne hatten zeitweise Cable Cars - bis die elektrischen Straßenbahnen mit Oberleitungen, preiswerter und schneller, in Führung gingen.

Heute gibt es sie nur noch in San Francisco - und das ist vor allem dem Einsatz einer Frau zu verdanken, erzählt Rick Laubscher von der "Market Street Railway"-Stiftung, die um den Erhalt der historischen Bahnen kämpft. 1947 wollte der damalige Bürgermeister alle Cable Cars zugunsten billigerer Busse abschaffen. Die Aktivistin Friedel Klussmann legte sich mit einer Bürgerinitiative ins Zeug, die Wähler stimmten mit großer Mehrheit für den Erhalt. Seit 1964 stehen die Wagen als "National Historic Landmark" sogar unter Denkmalschutz.

Vor dem schweren Erdbeben von 1906 gab es mehr als ein Dutzend Linien, heute sind noch drei in Betrieb. Jährlich rumpeln Millionen Fahrgäste durch die Stadt, für Touristen ein Muss, wie der Besuch bei der Golden Gate Brücke. Calvin Watts sieht seinen Kunden das Fahrvergnügen an. Seit zwölf Jahren ist der frühere Busfahrer nun Cable-Car-Schaffner. "Ich sehe 50-jährige Männer, die zu kleinen Kindern werden. Die springen während der Fahrt vor lauter Freude rum und ich muss sie etwas bremsen", sagt Watts mit einem Augenzwinkern.

(R) Barbara Munker/dpa

Nichts geht ohne den "Gripman": Das ist der Fahrer, der die Bahn mit dem "Grip", einer Art Zange unter dem Fahrzeugboden, an das ständig laufende Stahlseil festklemmt. Mit Tempo 15 geht es dann die Hügel rauf und runter, teilweise mit einem Gefälle von 21 Prozent. "Man muss fit und beweglich sein, und vor allem darf man keine Angst haben", sagt Derrick Johnson. Seit 23 Jahren hat er als Gripman den Hebel in der Hand. Er vertraue der uralten Technik, doch hin und wieder komme es vor, dass ein Auto in ein Cable Car fährt.

Neben dem Hebel müssen auch noch Bremsen und die schwere Glocke der Cable Cars bedient werden. Mit dem Geläute werden Autofahrer und Passanten gewarnt, Abstand zu halten. Es gibt auch Klingelwettbewerbe, in denen die Mitarbeiter um den Titel als "World Champion Bell Ringer" kämpfen.Im Jubiläumsjahr werben die Verkehrsbetriebe nun mit günstigeren Tickets, Touren durch die Cable-Car-Werkstatt und Fahrten auf frisch renovierten Bahnen. "Das sind Fahrzeuge, auf denen schon die Urgroßeltern fuhren", begeistert sich Rick Laubscher. "Das poltert, das schwankt, das macht einfach Spaß".
1998 selbst vor Ort

Und welcher ist der beste Platz in den teilweise offenen Holzwagen? Schaffner Watts muss es wissen. "Ganze vorne, die Stehplätze an der Kante". Dort steht man auf einer kleinen Plattform, hält sich an einer langen Stange fest und lehnt sich während der Fahrt ins Freie hinaus. "Das gibt es wirklich nur an einem Ort in der Welt", sagt Watts und grinst.

aus: Süderländer Tageblatt 

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