Auftritt der Präriegiganten –
Jeden Herbst werden im Custer State Park in South Dakota die Bisons zusammengetrieben. Es ist ein Volksfest bei dem sich Cowboys, Ureinwohner und Touristen auf einen Bison-Burger treffen.
(Michael Juhran)
Custer State Park (dpa) - South Dakota, Ende September: Es ist früh um 4.00 Uhr. Der Herbst kündigt sich mit dunklen Wolken und kühlen Nächten an. Fröstelnd bereiten sich etwa 60 Wrangler, wie die Viehtrieber hier heißen, auf das jährliche Highlight im Custer State Park vor. Kevin Stolz gehört zu den 20 Profis, die diesmal dabei sind und zur Sicherheit einen Colt umschnallen, um im Ernstfall den 40 freiwilligen Cowboys auf Zeit, die per Losentscheid am Bisontrieb teilnehmen dürfen, zur Seite stehen zu können. «Wenn so ein Bulle mit etwa 900 Kilogramm auf dein Pferd losgeht, sollte man schon gut vorbereitet sein», empfiehlt er. «Auch mit Kühen, die ihr Kalb dabei haben, ist nicht gut Kirschen essen.» Kevin MacRitchie stimmt ihm zu: Er ist seit dem Jahr 2005 dabei und weiß von einigen brenzligen Situationen zu berichten. «Immer wieder versuchen insbesondere die Bullen aus der Herde auszubrechen. Deshalb versuchen wir, die Reihe mit allen 60 Wranglern so fest wie möglich zu schließen, um Druck von hinten auf die Herde auszuüben.» Kevin, der im Hauptberuf bei einem großen IT-Konzern arbeitet, hat selbst 160 Bisons und kennt sich mit den Tieren aus.
Vier Stunden später haben sich die Wrangler in drei Gruppen hinter den Hügeln positioniert, auf denen die Bisons friedlich grasen. Noch immer strömen Besucher aus aller Welt zum Roundup-Gelände, von wo sie dem Treiben in sicherer Entfernung zusehen können. Lediglich das Zwitschern einiger Vögel durchbricht die Stille in der weiten Prärie. Dann endlich kommt das Signal: Alle Schaulustigen haben einen Platz gefunden, es kann losgehen.
Die erste Gruppe Wrangler reitet auf die Hauptherde zu, die sich mit Getöse in Bewegung setzt. Etwa 5200 Hufe bringen die Erde zum Beben, wirbeln Staub auf und verwandeln die Stille in ein Donnern. Von den Seiten treiben die anderen Wrangler kleinere Bisongruppen auf die Hauptherde zu, unterstützt von Pickups, die es im von Bächen durchfurchten, durch Baumgruppen getrennten und mit größeren Findlingen übersäten, unebenen Gelände nicht gerade leicht haben.
Doch die Wrangler haben die Lage im Griff. Langsam schieben sich die 1300 Bisons durch das geöffnete Gatter in ein umzäuntes Gelände. Anschließend werden sie in kleinere Gruppen getrennt und die gerade einmal drei bis vier Monate alten Kälber geimpft und gebrandmarkt. Die Kühe erwartet ein Schwangerschaftstest, denn die Brunftzeit geht dem Ende entgegen. 100 bis 300 Tiere ersteigern später Rancher oder Schlachthöfe.
«Unser Ziel ist es, den Bestand im Custer State Park stabil zu halten und eine Überweidung zu verhindern», erklärt der Gouverneur von South Dakota, Dennis Dougard. Nicht ohne Stolz verweist er darauf, dass sein Bundesstaat mit etwa 35 000 Tausend Bisons die größte Population des einstigen Symboltieres der nordamerikanischen Prärien beheimatet.
Einer fehlt auf dem großen Fest: Kevin Costner. Bei den Dreharbeiten zum Film «Der mit dem Wolf tanzt» war er von den Bisons so fasziniert, dass er ihnen im Ort Deadwood ein Museum einrichtete. Es heißt «Tatanka», was in der Sprache der Lakota Bison bedeutet. Ein kleines, aber beeindruckendes Museum, das die tragische Geschichte dieser Tiere dokumentiert: Von der Zeit, als 30 bis 60 Millionen Bisons die Prärien Nordamerikas bevölkerten bis zu ihrer drohenden Ausrottung durch weiße Büffeljäger. Ende des 19. Jahrhunderts gab es nur noch wenige hundert Exemplare.
«Mit dem Abschlachten der Bisons wurde unseren Vorfahren die Lebensgrundlage genommen», sagt Jumping Buffalo. Der Nachfahre von Sitting Bull führt am Denkmal zu Ehren des Kriegshäuptlings Crazy Horse traditionelle Tänze auf und macht die Besucher des nahen Indian Museum of North America mit den Bräuchen seines Volkes vertraut. «Ein US-General habe hat einst sogar stolz verkündet, dass die Büffeljäger stärker zur Vernichtung der Indianer beigetragen hätten als die Soldaten.»
An dem Denkmal für Crazy Horse wird bereits seit 1948 gebaut. Er war einer der größten Kriegshäuptlinge der Oglala-Lakota und hatte mit seiner taktischen Überlegungen wesentlichen Anteil an den erfolgreichen Gefechten der Lakota und Cheyenne, etwa in der Schlacht am Little Bighorn. Mit 195 Metern Höhe soll es einmal doppelt so hoch sein, wie die Freiheitsstatue. Allein der Kopf, dessen Antlitz bereits zu bewundern ist, wird einmal so groß sein, dass alle Präsidentenköpfe des Mount Rushmore darin Platz hätten. Die Vollendung des Denkmals wird noch Jahrzehnte in Anspruch nehmen, aber wenn es einmal fertig ist, wird Crazy Horse wieder auf tausende von weidenden Bisons herabblicken können - wie in seiner Jugend.