Als die Nachricht vom Tode Robert Enkes am Dienstagabend bekannt wurde, ging eine Schockwelle durch Deutschland. Selbst Menschen, die Robert Enke, sein Leben und seine Karriere als erfolgreicher Torwart, bisher nur kaum oder gar nicht kannten, waren betroffen von diesem Ereignis, das gleichermaßen urplötzlich und unfassbar war. „Warum?“ war die Frage, die sich wohl jeder stellte.
Aber schon am folgenden Tag, als Enkes Witwe Teresa zusammen mit dem Psychotherapeuten ihres Mannes vor die Kameras trat und die Einzelheiten seiner Depressionserkrankung schilderte, mischten sich in die Urteile über die „tapfere, starke Frau“ die ersten kritischen Stimmen: „Darf man so etwas machen?“ In die Öffentlichkeit gehen, mit derart privaten Sorgen und Details? Den Leidensweg des eigenen Mannes so ausbreiten vor den Kameras und Mikrophonen, nur wenige Stunden nach seinem Freitod?
Die Kritik steigerte sich noch, als am Freitag die Einzelheiten zur Trauerfeier bekannt wurden: Enkes Sarg wird im Mittelkreis der AWD-Arena aufgebahrt, im Stadion werden 45 000 Menschen dabei sein, außerhalb des Stadions wird die Andacht auf Großleinwänden übertragen, auch hier rechnet die Polizei mit mehreren zehntausend Menschen. Fünf Fernsehsender übertragen die Trauerfeier live, über tausend Journalisten werden berichten. Beinahe schon bangend appellierte Hannover 96 an die Fans, sich dem Ereignis gemäß zu verhalten.
Angesichts dieser Dimensionen, es ist die Rede von der größten Trauerfeier in Deutschland seit dem Tod von Konrad Adenauer, sind viele Menschen irritiert, verstört, sogar fassungslos. Von der „Ausschlachtung eines Schicksals“ wird da in Leser-Kommentaren und Straßenumfragen gesprochen, einer „pietätlosen Vermarktung“, sogar von „reiner Show“. Enke sei schließlich nur einer von vielen Selbstmördern, die es jedes Jahr in Deutschland gibt, und deren Schicksal kaum jemanden interessiere.
Dieser Empörung aber liegen viele Irrtümer zugrunde: Es gibt eben nicht den einen, allgemein verbindlichen Kodex, wie MAN zu trauern hat. Jede Familie muss für sich selbst angesichts der Umstände entscheiden dürfen, wie öffentlich, wie groß und mit wem die Trauerarbeit zu verrichten sein sollte.
Zudem: Wie sollte man denn „richtig“ umgehen mit der gewaltigen Resonanz, die sich nach Enkes Tod in Deutschland und vor allem in Hannover zeigte? Spätestens als sich 35 000 Menschen am Mittwochabend zum Trauerzug durch die Stadt versammelten, war klar, dass es sich um ein Ereignis handelte, das mehr Menschen mehr bewegte, als sich irgendjemand das hätte vorstellen können.
Diesen Menschen, viele von ihnen Fans, die Enke Woche für Woche zugejubelt hatten, nun falsche Emotionen oder gar Eventmentalität vorzuhalten, ist ebenso töricht, wie der Familie zu unterstellen, sie habe sich von falschen Beratern zu der Großveranstaltung an diesem Sonntag drängen lassen.
Eine Gesellschaft muss Fehler verzeihen
Und natürlich verbieten sich jetzt bei der Kritik an der Größe der Trauerfeier auch Sätze wie: „Es war ja nur ein Torwart!“ – so, als gäbe es ein moralisches Gesetz, dass Ausmaß von öffentlicher Trauer nach Nobelpreisen, Kanzlerämten oder sonstiger Wertigkeit für die Gesellschaft regeln würde.
Für viele Menschen, auch Nicht-Fußballfans, bedeuten Robert Enke und sein Tod eben etwas Besonderes für ihr Leben. Das mag man verstehen oder nicht – aber respektieren sollte man es auf jeden Fall.
Denn Robert Enkes Tod wird nicht nur deshalb so betrauert, weil es einen populären sympathischen Sportler getroffen hat – sondern wohl auch vor allem, weil die Leidensgeschichte, die ihn in den Tod getrieben hat, jahrelang so perfekt verborgen unter seiner Oberfläche lag. Weil er glaubte, seine Ängste vor der Öffentlichkeit verstecken zu müssen, um als Mensch akzeptiert zu werden. Es scheint, als wollten die Menschen mit ihrer beinahe überbordenden Anteilnahme nun auch beweisen, dass es eine Gesellschaft geben muss, die eben diese Ängste, Schwächen und Fehler verstehen und verzeihen kann.
In diesem Sinne kann eine Trauerfeier gar nicht groß genug sein.
Aber schon am folgenden Tag, als Enkes Witwe Teresa zusammen mit dem Psychotherapeuten ihres Mannes vor die Kameras trat und die Einzelheiten seiner Depressionserkrankung schilderte, mischten sich in die Urteile über die „tapfere, starke Frau“ die ersten kritischen Stimmen: „Darf man so etwas machen?“ In die Öffentlichkeit gehen, mit derart privaten Sorgen und Details? Den Leidensweg des eigenen Mannes so ausbreiten vor den Kameras und Mikrophonen, nur wenige Stunden nach seinem Freitod?
Die Kritik steigerte sich noch, als am Freitag die Einzelheiten zur Trauerfeier bekannt wurden: Enkes Sarg wird im Mittelkreis der AWD-Arena aufgebahrt, im Stadion werden 45 000 Menschen dabei sein, außerhalb des Stadions wird die Andacht auf Großleinwänden übertragen, auch hier rechnet die Polizei mit mehreren zehntausend Menschen. Fünf Fernsehsender übertragen die Trauerfeier live, über tausend Journalisten werden berichten. Beinahe schon bangend appellierte Hannover 96 an die Fans, sich dem Ereignis gemäß zu verhalten.
Angesichts dieser Dimensionen, es ist die Rede von der größten Trauerfeier in Deutschland seit dem Tod von Konrad Adenauer, sind viele Menschen irritiert, verstört, sogar fassungslos. Von der „Ausschlachtung eines Schicksals“ wird da in Leser-Kommentaren und Straßenumfragen gesprochen, einer „pietätlosen Vermarktung“, sogar von „reiner Show“. Enke sei schließlich nur einer von vielen Selbstmördern, die es jedes Jahr in Deutschland gibt, und deren Schicksal kaum jemanden interessiere.
Dieser Empörung aber liegen viele Irrtümer zugrunde: Es gibt eben nicht den einen, allgemein verbindlichen Kodex, wie MAN zu trauern hat. Jede Familie muss für sich selbst angesichts der Umstände entscheiden dürfen, wie öffentlich, wie groß und mit wem die Trauerarbeit zu verrichten sein sollte.
Zudem: Wie sollte man denn „richtig“ umgehen mit der gewaltigen Resonanz, die sich nach Enkes Tod in Deutschland und vor allem in Hannover zeigte? Spätestens als sich 35 000 Menschen am Mittwochabend zum Trauerzug durch die Stadt versammelten, war klar, dass es sich um ein Ereignis handelte, das mehr Menschen mehr bewegte, als sich irgendjemand das hätte vorstellen können.
Diesen Menschen, viele von ihnen Fans, die Enke Woche für Woche zugejubelt hatten, nun falsche Emotionen oder gar Eventmentalität vorzuhalten, ist ebenso töricht, wie der Familie zu unterstellen, sie habe sich von falschen Beratern zu der Großveranstaltung an diesem Sonntag drängen lassen.
Eine Gesellschaft muss Fehler verzeihen
Und natürlich verbieten sich jetzt bei der Kritik an der Größe der Trauerfeier auch Sätze wie: „Es war ja nur ein Torwart!“ – so, als gäbe es ein moralisches Gesetz, dass Ausmaß von öffentlicher Trauer nach Nobelpreisen, Kanzlerämten oder sonstiger Wertigkeit für die Gesellschaft regeln würde.
Für viele Menschen, auch Nicht-Fußballfans, bedeuten Robert Enke und sein Tod eben etwas Besonderes für ihr Leben. Das mag man verstehen oder nicht – aber respektieren sollte man es auf jeden Fall.
Denn Robert Enkes Tod wird nicht nur deshalb so betrauert, weil es einen populären sympathischen Sportler getroffen hat – sondern wohl auch vor allem, weil die Leidensgeschichte, die ihn in den Tod getrieben hat, jahrelang so perfekt verborgen unter seiner Oberfläche lag. Weil er glaubte, seine Ängste vor der Öffentlichkeit verstecken zu müssen, um als Mensch akzeptiert zu werden. Es scheint, als wollten die Menschen mit ihrer beinahe überbordenden Anteilnahme nun auch beweisen, dass es eine Gesellschaft geben muss, die eben diese Ängste, Schwächen und Fehler verstehen und verzeihen kann.
In diesem Sinne kann eine Trauerfeier gar nicht groß genug sein.
(C) Ralf Klassen
Für mich stellt sich einfach die Frage: Wie gehen wir Menschen in unserer Gesellschaft z.B. am Arbeitsplatz mit einander um, wenn Schwäche, Krankheit, Unvermögen deutlich werden?
In unserer Gesellschaft gilt scheinbar nur das Starke. Aber wir sind nicht immer alle stark.
Diejenigen die das noch von sich meinen, werden auch noch ihre Schwächen und Nöte entdecken. Was dann? Wir bejubeln das Starke und Großartige - auch gerade im Sport - aber was ist mit den Verlierern? Jetzt nach dem Freitod Robert Enkes ist offenkundig geworden unter welchen Nöten und unter welcher Krankheit er litt. Vor seinem Tod sollte keiner davon wissen und jetzt wissen es alle, die die Zeitung aufschlagen. Lasst uns aus diesem Drama lernen. Lasst uns Barmherzig werden mit den Nöten und Schwächen der anderen, aber auch mit unseren eigenen.