Der Deutschlandfunk überschreibt seinen Vortrag zum 75. Geburtstag von Keith Jarrett mit:
Der lässige Magier!
Das "Köln Concert" von 1976 ist die meistverkaufte Jazz- Solo Produktion weltweit. Ende der 70er Jahre habe ich mir das Do-Album als neugieriger Jazz Fan zugelegt. Keith am Piano - sonst nichts. Freie und geniale Improvisation - für heutige Musikgewohnheiten nicht zumutbar. Was hören heute 20 Jährige?
Mein "Süderländer Tageblatt" hatte eine kurze Würdigung zum Geburtstag von Keith Jarrett abgedruckt. Der Artikel ist von Christina Horsten (dpa).
Wenn Keith Jarrett an sein "Köln Concert" zurückdenkt, dann kommen ihm erstmal negative Erinnerungen. "Ich denke an das schlechte italienische Essen, das mir serviert wurde, bevor ich anfangen sollte zu spielen", erzählte der Pianist dem US-Radiosender NPR. "Ich denke daran, dass sie das falsche Klavier gemietet hatten."
Es habe "schrecklich" geklungen, und beinahe sei das frei imporvisierte Konzert nicht aufgenommen worden.
Aber dann klappte es doch, und danach habe er sich die Aufnahme gemeinsam mit seinem Produzenten Manfred Eicher im Auto auf Kassette angehört. "Und wir haben uns angeschaut und gesagt: "Oh Mann. Das müssen wir veröffentluchen."
Inzwischen ist "The Köln Concert" von 1975 längst legendär und mit mehr als 3,5 Millonen verkauften Kopien das erfolgreichste Soloalbum der Jazz-Geschichte. Es machte Jarrett, der am Freutag (8.Mai) 75 Jahre alt wird, weltberühmt - und ist doch nur ein kleiner Teil seines umfassenden Werkes, das immer noch wächst und wächst.
Der Pianovirtuose begeistert sein Publikum mit der Interpretation klassischer Komponisten ebenso wie mit seinen Jazz-Interpretationen. Solo ist Jarrett ein Meister - aber auch mit seinem Trio, zu dem Bassist Gary Peacock und Schlagzeuger Jack deJohnette zählen, feierte er große Erfolge.
"Mit seinen wunderschönen Melodien, seiner konsitenten Qualität in verschiedenen Stilen und dem Reichtum seiner Veröffentlichungen ist Jarrett so viel mehr als nur der beste Klavierspieler der Welt", schwärmze jüngst der britische "Guardian". "Er ist auch der großartigste lebende Musiker".
Keith Jarrett: "Wofür ich bezahlt werde, ist in die Tiefe zu gehen", sagte er ein´mal der "New York Times".
"Wie im Tauchanzug mit Maske, tief und immer tiefer". Ein gutes Publikum lasse sich von ihm mitziehen, "wird Teil meiner Musik". Unruhe unter seinen Zuhörern, ein Husten, Handy oder Blitzlicht aber bringen ihn aus der Fassung. Dann rastet er auch mal aus, droht, das Konzert abzubrechen, flucht und maßregelt.
Stimmt aber die "emotionale Farbe" in einer Konzerthalle, "ist das Publikum bereit, mir zu folgen, ganz gleich, durch welchen Prozeß ich gehe", kennen seine Kreativität und Fantasie keine Grenzen. Dann improvisiert er vom ersten Anschlag bis zum Applaus, manchmal ohne ein einziges Mal auszusetzen. Da sich Jarrett in seinen Improvisationen nie wiederholt, ist jedes Konzert ein neues Werk.
Geboren wurde Jarrett 1945 als ältester von fünf Söhnen in eine streng religiöse Familie im US-Bundesstaat Pennsylvania hinein. Schon als kleines Kind bekam er Klavierunterricht, mit sieben Jahren gab es sein erstes Konzert, mit zwölf ging er auf Tourneen, 17-jährig füllte er ein Abendprogramm ausschließlich mit eigenen Kompositionen, und schon bald spielte er mit Stars wie Charlie Haden und Miles Davis.
Seit Jahrzehnten prägt Jarrett die Szene und gehört zu den erfolgreichsten Musikern der Welt. In den 90er Jahren musste sich der vielfach preisgekrönte Pianist eine Auszeit nehmen, litt unter chronischer Erschöpfung und konnte nicht mehr spielen. Als die Kraft langsam zurückkehrte, musste er seine Virtuosität neu erlernen.
"Alles war anders. Ich habe Musik und ihre Bedeutung anders empfunden." Inzwischen legt Jarrett, der zum dritten Mal verheiratet ist und zwei Söhne hat, mehr Pausen ein, um sich zu Hause auf seiner Farm in der 2000-Seelen-Gemeinde Oxford in New Jersey zu erholen.