Iran droht Pfarrer mit Todesstrafe
27.02.2012 | 19:43 Uhr2012-02-27T19:43:00+0100
Berlin. Seit zweieinhalb Jahren sitzt Jusef Nadarchani in Haft. Ein Gericht verurteilte den evangelischen Pastor wegen seines „Abfalls vom Glauben“ und der „Verbreitung nichtislamischer Lehren“. Im Herbst 2010 wurde er zum Tode verurteilt, seitdem sitzt er in Haft.
Noch ist wohl nichts entschieden. Soweit man das von hier aus sagen kann. Noch ist Jusef Nadarchani offenbar am Leben, ist ihm mit Protesten und Appellen vielleicht zu helfen. „Wir hatten auch entsprechende Urteile, die nicht vollstreckt wurden“, sagt Martin Lessenthin von der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM).
Seit Oktober 2009 sitzt der 34-jährige protestantische Pastor im Gefängnis in Rasht, der großen Hafenstadt am Kaspischen Meer. Er darf nach Angaben der IGFM weder Besuch von seinen Familienangehörigen noch von seinem Anwalt empfangen. Seit September 2010 weiß er, dass der Galgen auf ihn wartet. Ein Gericht verurteilte ihn zum Tode wegen „Abfalls vom Glauben“ und „Verbreitung nichtislamischer Lehren“.
Christen versammeln sich in privaten Wohnungen
Vor einigen Tagen wurden seine deutschen Unterstützer durch die Nachricht aufgeschreckt, in der Haftanstalt, in der er einsitzt, sei der Exekutionsbefehl für Nadarchani eingetroffen. Die Hinrichtung stehe nun unmittelbar bevor.
Das islamische Recht, die Scharia, bedroht drei Tatbestände, die nach westlichem Verständnis zum Kernbereich persönlicher Freiheit gehören, mit dem Tode: Ehebruch, Homosexualität und die Abkehr vom Islam. Nadarchani war im Alter von 19 Jahren zum Christentum übergetreten. Als Pastor betreute er zuletzt eine Gemeinde von 400 iranischen Christen, die sich zum Gottesdienst nur in Privaträumen treffen dürfen.
Im Visier der Geheimpolizei
Ins Visier der Geheimpolizei geriet Nadarchani, als er öffentlich dagegen protestierte, dass auch seine Kinder in der Schule am islamischen Religionsunterricht teilnehmen mussten. Seine Frau war im Sommer 2010 vier Monate lang ebenfalls in Haft. Er selbst wurde im Gefängnis bisher viermal „aufgefordert“ – was immer das bedeuten mag – , dem Christentum abzuschwören und zum Islam zurückzukehren. Er könnte so sein Leben retten.
Nachdem der Oberste Gerichtshof im Juni vorigen Jahres das Todesurteil bestätigt hatte, schien bereits im Oktober die Vollstreckung beschlossene Sache. Statt dessen kassierte Revolutionsführer Ali Chamenei überraschend das Urteil und ordnete ein neues Verfahren an.
Dass jetzt entgegen dieser Direktive der Countdown zur Hinrichtung offenbar doch wieder läuft, kann sich Lessenthin am ehesten mit den zerklüfteten Verhältnissen in der iranischen Führung erklären. Da gibt es Moderate und Rabiate, Anhänger Chameneis und des Präsidenten Ahmadinedschad, der Atomstreit mit dem Westen spitzt sich zu, und zu allem Überfluss stehen Wahlen ins Haus: „Insofern ist der arme Pastor Nadarchani ein Spielball in diesem Spiel.“
Appell an Teheran
Von „schwer zu durchschauenden Machtstrukturen“ ist auch im Auswärtigen Amt die Rede. Ob die Gefahr für Nadarchani tatsächlich größer geworden ist, „wir wissen es letztlich nicht“. Vorsorglich hat Guido Westerwelle an die Führung in Teheran appelliert, den Pastor am Leben zu lassen. Immerhin, heißt es, sei im Iran noch kein Todesurteil gegen Konvertiten vollstreckt worden.
Eine Gewähr, dass das so bleibt, gibt es natürlich nicht. Im Internet sammelt die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte Unterschriften, etwa 30 000 bislang. Vor den Konsulaten in Hamburg und Frankfurt und der Botschaft in Berlin stehen Mahnwachen. „Prominenz schützt vor Tod“, sagt Lessenthin. „Wenn es um jemanden leise wird, wächst die Gefahr.“
Verschärfte Lage
Die Menschenrechtslage im Iran hat sich nach Angaben von „amnesty international“ vor den Parlamentswahlen am vergangenen Freitag noch einmal verschärft. Die Verfolgung von Oppositionellen durch die Regierung habe stark zugenommen, heißt es in einem gestern in Berlin veröffentlichten Bericht der Menschenrechtsorganisation. Proteste wie nach der Präsidentenwahl 2009 sollen offensichtlich mit allen Mitteln verhindert werden, erklärte amnesty.