Eigentlich ist sie Sängerin und Bürgerrechtlerin - und das ist untrennbar miteinander verbunden. Nach dem Tode Johnny Cash im Jahr 2003, ist sie vermutlich das
letzte große musikalische Gewissen Amerikas.
Ich rede und schreibe von
JOAN BAEZ, die am 9.1.2016
75 Jahre alt wurde.
Ein paar Gitarrentöne, dann setzt eine prägnante, klare Stimme ein mit genauso prägnanten, klaren Worten: "We Shall Overcome . . !" Im August 1963 hat Joan Baez das Lied berühmt gemacht; sie sang es auf dem Marsch auf Washington, bei dem mehr als 200 000 Menschen für Arbeit und Freiheit demonstrierten - und Martin Luther King die berühmte Rede "I Have a Dream" hielt.
Sechs Jahre später - inzwischen galt sie als das "Gewissen ihrer Generation" - führte Baez den Protestsong auf dem Woodstock-Festival auf.
Joan, geboren im Jahr 1941, hat bereits als Kind Erfahrungen gemacht, die ihr späteres Engagement für Bürgerrechte und gegen den Vietnamkrieg beförderten. Ihr Vater, ein Physiker, hatte sich geweigert, für die Rüstungsindustrie zu arbeiten. Als Joan zehn Jahre alt war, lebte die Familie in Bagdad, wo sie die Armut der Bevölkerung aus nächster Nähe miterlebte. Zurück in den USA wurde sie als Tochter eines mexikanischen Einwanderers immer wieder beschimpft.
Joan sang schon als Teenager auf dem Schulhof - und politisierte sich zu der Zeit. 1956 hörte sie in einem Quäker-Seminar eine Rede von Martin Luther King. Ein Jahr später verweigerte sie in der Schule die Teilnahme an einer Luftschutzübung. Begründung: Die seien unmöglich zu erreichen, wenn wirklich sowjetische Raketen im Anflug seien. Als sie später Geld verdiente, zahlte sie ihre Lohnsteuer aus Protest gegen den Vietnamkrieg auf ein Sperrkonto ein.
Baez' Leben ist von Protestmärschen und Benefizkonzerten geprägt, aber auch von Reisen in Krisengebiete. 1972 überlebte sie in Hanoi (damals Nordvietnam) ein mehrtägiges Bombardement seitens der Amerikaner. Sie besuchte Kambodscha und Bosnien-Herzegowina, trat in den USA in Hospitälern und Gefängnissen auf, demonstrierte für Rechte Homosexueller und gründete eine Hilfsorganisation für vietnamesische Bootsflüchtlinge.
Sie selbst bezeichnet sich heute als Realistin. "Jeder auch nur kleine Sieg ist in der zurzeit angespannten Atmosphäre sehr wichtig", sagte sie im Sommer der "Welt". Die Punkerin Patti Smith nannte sie eine "moderne Jeanne d'Arc".
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16.6.1984 JOAN BAEZ - Müngersdorfer Stadium (Uli Fleger) |
Neue Protestformen sieht Baez mit Skepsis. "Es ist sehr leicht, mal eben einen Hashtag zu retweeten", sagt sie. "Aber um Veränderungen herbeizuführen, muss man oft Risiken eingehen." Aktionen in Sozialen Medien dienten oft eher dazu, das eigene Gewissen zu beruhigen.
"Man braucht erst mal ein Fundament", sagte Baez. "Nennen Sie es ,Haltung' oder ,Wissen', bevor man Tausende oder Millionen anderer Menschen erreicht." Baez' Musik taugt kaum zum Nebenbeihören, weder bei ihrem bekanntesten eigenen Song "Diamonds and Rust", noch bei "We Shall Overcome". Irgendwann werde sie sich selbst nicht mehr hören wollen, sagte sie einmal. "Das wird's dann gewesen sein - mit der Singerei. Vielleicht fange ich dann mit Malen an."
Ich werde weiterhin gerne die Songs von Joan Baez hören, auch wenn ihr Stimme altersmäßig etwas tiefer geworden ist.
(Auszüge....Paula Konersmann-Südwest Presse)