Die raue Stimme der einfachen Leute Bruce Springsteen wird 60 Jahre altWestfalen, 22.09.2009, Frank Fligge (Westfälische Rundschau vom 23.9.2009)
Dortmund. Er gehört zu den ganz wenigen Kerlen, denen Frauen auch heute noch großkarierte Holzfällerhemden durchgehen lassen. Die oberen Knöpfe offen, darunter Goldkettchen und weißes Feinripphemd oder direkt der Brusthaarteppich, die Ärmel stets hochgekrempelt. Bruce Springsteen darf das.
Er ist wie er ist und er ist „The Boss”. Heute feiert er seinen 60. Geburtstag. Das Ständchen dazu kann er sich selber singen - unser Vorschlag: „My Lucky Day” vom aktuellen Album „Working on a Dream”.
„I'm working on a dream” - er arbeitet an einem Traum; er arbeitet sich musikalisch ab daran. Seit 37 Jahren schon. Es ist der amerikanische Traum. Vom Tellerwäscher zum Millionär im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, in dem jeder alles erreichen kann, wenn er nur daran glaubt. Er selbst, Bruce Springsteen, personifiziert diese Geschichte, deren Wahrheitsgehalt er dennoch beharrlich anzweifelt in seinen Songs. Ein Widerspruch? Nur scheinbar.
Bob Dylan ist „derBruder, den ich nie hatte” Die Biographie von Bruce Frederick Joseph Springsteen aus dem Ostküsten-Nest Long Branch im Staat New Jersey ist fast ein wenig zu überfrachtet mit Klischees, um wahr zu sein. Der Vater ein frustrierter Malocher, der noch öfter trinkt als er seine Gelegenheitsjobs wechselt. Bruce selbst ein Problemkind, das gegen den Dad rebelliert und sich zunehmend zurückzieht. Bis, na klar, die Musik ihn aus der Isolation heraus holt.
Elvis, Stones und die Beatles zunächst. Einige US-Countrygrößen. Schließlich Bob Dylan, ein paar Jahre älter nur, dieselbe Generation. „Er ist der große Bruder, den ich nie hatte”, wird Springsteen später einmal über den Folk-Helden sagen. Als Dylan 1988 in die Rock'n' Roll Hall Of Fame aufgenommen wird, hält Springsteen die Laudatio. Zwei Brüder in der Musik und im Geiste. Zwei die gegen Mainstream und Establishment anschwimmen.
Sicher, Springsteens Texte haben nie die sprachliche Brillianz und die methaphorische Tiefe der Dylan-Songs erreicht. Springsteen kommt gerade heraus, straight. Er singt so, wie die einfachen Leute, die „Working Class”, redet. Und genau so spielt er die Gitarre, seinen siamesischen Zwilling. Ohne Schnörkel. Gerade das macht ihn ja so gut. Vor allem: Er singt - wo Dylan und Neil Young zum Nuscheln und Nölen neigen. Was Dylan ihn gelehrt hat, kleidet Springsteen in den Song „No Surrender”: Wir lernten mehr von einer Drei-Minuten-Platte als wir jemals in der Schule lernten, heißt es da.
Seine Musik: Ein Stilmix aus Country & Western, Singer/Songwriter - auf der soliden Basis von Rock'n'Roll, Blues und Folk. Mal überwiegt das eine, mal das andere. Melancholisch ist es oft, manchmal sogar depressiv. Springsteen besingt die Trostlosigkeit des Arbeiterlebens, die vorgezeichneten Lebensläufe. In seinen Songs erzählt er die Geschichten von Außenseitern. Er singt über Fremdenfeindlichkeit, Kriminalität und Resignation, über Sehnsüchte und Träume, vor allem aber darüber, wie sie platzen. Das Scheitern zieht sich durch sein Werk. Springsteen selber hat wenige Tiefen in 37 Jahren - zu scheitern droht er nie.
60 Millionen Alben und 19 Grammys
Mit „Born to Run”, seinem dritten Album, gelingt ihm 1975 der Durchbruch. Mitte 20 ist er da - und schaut die Amerikaner plötzlich von den Titelseiten des „Time Magazine” und der „Newsweek” an. Bis heute hat Springsteen 60 Millionen Alben verkauft und 19 Grammys eingesammelt. Für „Streets of Philadelphia”, seinen Titelsong zum Aids-Drama „Philadelphia” mit Tom Hanks in der Titelrolle, erhält er einen Oscar; für „The Wrestler” zum gleichnamigen Kinofilm mit Mickey Rourke einen Golden Globe. Seine E-Street-Band, in der grandiose Musiker wie Steve van Zandt, Nils Lofgren und Clarence Clemons spielten bzw. spielen, ist so legendär wie er selbst.
Gut möglich, dass ihm heute zum Geburtstag US-Präsident Barack Obama höchstpersönlich gratuliert. Die beiden schätzen sich. Obama ist Springsteen-Fan. Springsteen, die Stimme des kleinen Mannes, der überzeugte Bürgerrechtler, der immer politisch, aber lange Zeit nicht parteipolitisch engagiert war, trat im Wahlkampf für Obama auf. Obama - auch so ein amerikanischer Traum. Wer Springsteens aktuelles Album hört, wird viel Obama erkennen.
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Wenn es positive Helden in der Rockmusik gibt; dann gehört Bruce Springsteen sicherlich einfach dazu. Er ist authentisch, ehrlich, einfach, kein Spinner, hat keine Drogengeschichten, der Mann fürs einfache Volk - das alles macht ihn so sympathisch. Bei mir hat es länger gedauert, einen Zugang zu ihm und seiner Musik zu finden. In den 70er Jahren war er mir fremd. Ich kannte nur "The River" und das war fast zu poppig. In den 80er Jahren bei meinem Zivildienst hatte Björn aus Dortmund eine 5er CD Box von Bruce auf seinem Zimmer. Auf einmal entdeckte ich diese geniale Musik. Ein Mix zwischen Rock/Country/Folk - Klasse. Ich hatte noch keinen CD Player, so besorgte ich mir das 5er Album als LP. "
Bruce Springsteen & the E Street Band Live 1975-85. Immer noch klasse. Und im Sommer im Urlaub, auf den breiten Straßen durch Montana und Wyoming, durch die Einsamkeit - Bruce war der Renner bei uns im Auto. "This Land is your Land..."
Herzlichen Glückwunsch zu Deinem Geburtstag. Viel Freude und Schaffenskraft für dein neues Lebensjahr und weiterhin viel Kraft und Mut, um den Finger in die Wunden zu legen.