Die mächtige Granitkuppe des Half Dome im kalifornischen
Yosemite-Tal gilt als Wahrzeichen – wie das Matterhorn in den Alpen. Wagemutige
können den 2693 Meter hohen Berg auf eigene Faust besteigen – inklusive
Spiderman-Feeling.
Von der steil aufragenden Granitkuppe
ist morgens um 6.00 Uhr noch nichts zu sehen. Mit Taschenlampen machen sich die
meisten Half-Dome-Kletterer vor Sonnenaufgang auf den Weg. Der ist lang, steil,
und am Ende ziemlich abenteuerlich. Die letzten 120 Meter läuft man an
Stahlseilen eine Granitwand hoch.
„Man muss die Ruhe bewahren und einen
Fuß vor den anderen setzen“, rät Park-Rangerin Kari Cobb. Der drahtigen
27-Jährigen glaubt man aufs Wort, dass sie es vom Startpunkt im Yosemite-Tal
(1230 Meter Höhe) zum Gipfel auf 2693 Metern Höhe und wieder zurück in knapp
fünf Stunden schafft. Weniger Geübte sollten für die 27 Kilometer lange Tour
zehn bis zwölf Stunden einplanen.
Im Zick-Zack-Kurs lässt man das
Yosemite-Tal schnell hinter sich. Auf über 2000 Metern Höhe ist das
Little-Yosemite-Valley ein idyllischer Stopp zum Ausruhen vor dem
Gipfelsturm.
Nur noch 300 Gipfelstürmer am Tag
Der riesige Granitbuckel rückt nun
Schritt für Schritt näher. Bis 1875 galt der Berg als unbezwingbar. Dann schlug
der Kletterer George Anderson Ringbolzen in den Granit und bahnte sich auf der
Rückseite an Seilen einen Weg auf den Gipfel. 1919 wurde das noch heute
verwendete Seilgeländer installiert. Eine simple Konstruktion aus zwei
Stahlseilen in etwa einem Meter Abstand, auf armhohen Pfeilern, die im Fels
verankert sind. Von Mai bis Oktober werden die Pfosten für Kletterer
aufgerichtet, im Winter ist die Route gesperrt.
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Half Dome (Foto: U. Fleger 1994) |
Der Half Dome ist seit
Jahrzehnten das beliebteste Wanderziel im Yosemite-Tal. „An manchen Tagen
kletterten 1200 Leute die Stahlseile hoch, da kam es oft zu regelrechten
Verkehrsstaus“, erzählt Kobb. Seit drei Jahren schränkt die Parkverwaltung die
Zahl der Gipfelstürmer ein. In dieser Saison werden täglich 300 Wanderer mit
einer Erlaubnis zugelassen, die man vorab reservieren muss.
Den
Half-Dome-Permit darf man nicht vergessen. Am Fuß des „Subdome“, kurz bevor es
ernst wird, prüft ein Ranger die Papiere. Eine weitere Stunde kraxelt man über
Granitblöcke hoch. Der in den Fels gehauene Weg ist schwer zu erkennen, dafür
bietet der Aufstieg einen einmaligen Ausblick auf die umliegenden
Gipfel.
Dann taucht die letzte Hürde auf, mehr als 47 Grad Steigung.
Dutzende Wanderer stehen auf einem kleinen Plateau und starren gebannt nach
oben. Wie kleine Ameisen steigen die Kletterer zwischen den beiden Seilen auf
der Granitkuppel hoch.
Handschuhe an, und es geht los. Schritt für
Schritt auf dem glatten Fels, beide Hände fest an den Seilen. Alle drei bis vier
Meter ist eine schmale Holzleiste quer zwischen den Pfeilern angebracht. Auf
diesem „Trittbrett“ kann man Luft schnappen, langsamere Kletterer überholen und
– wer sich traut – einen Blick nach unten riskieren.
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(Foto: U. Fleger 1994) |
„I made it to the top“
Der halbstündige „Drahtseilakt“ wird reichlich
belohnt. Oben angekommen liegt einem eine atemberaubende Welt zu Füßen. Der
Blick geht mehr als 1400 Meter senkrecht ins Yosemite-Tal.
Mehrere
Fußballfelder groß ist die Half-Dome-Kuppel. Wagemutige kraxeln auf einen
Vorsprung, „The Visor“, der wie eine Schirmmütze vorsteht. Max Bock posiert für
das klassische Gipfelfoto. „Das ist die ganze Mühe wert“, strahlt der
Deutsche.
Es ist erst die halbe Mühe. „Der Rückweg ist hart“, mahnt
Rangerin Kari Cobb. „Die meisten hangeln sich rückwärts an den Seilen runter.
Und dann geht es weitere 13 Kilometer bergab“. Viele treffen erst bei Anbruch
der Dunkelheit im Tal ein. Der Adrenalinrausch von dem Gipfelerlebnis treibt
glücklicherweise an. Das passende Andenken gibt es in den
Yosemite-Souvenirläden: Tassen und T-Shirts mit der Aufschrift „I Made It To The
Top“ – ich habe es nach oben geschafft.
1994 bin ich auch vor Ort im Yosemite NP gewesen. Zu sechst starteten wir gegen 6.00 h morgens, um den Half Dome zu besteigen. Eine Mammuttour, wenn ich daran denke. Nach gut 13 Stunden waren wir abends wieder im Camp bei unseren Wohnmobilen. Ein wenig macht es mich heute noch traurig, das ich es nicht bis zum Half Dome geschafft habe. Kurz vor dem Klettersteig musste ich aufgeben. Ich war einfach zu erschöpft. Ein Freund machte dann noch im Klettersteig schlapp. So wartete ich Dösend und Schlafend auf die Rückkehrer und machte mich auf den Abstieg. Aber im Rückblick betrachtet, war es eine tolle Erfahrung, auch im Scheitern. Um so freudiger da heute eine heimische Tageszeitung diesen Bericht veröffentlichte. Das FOCUS Magazin brachte diesen Artikel auch.
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Foto: Barbara Munker; 47 % Steigung |